Birgit Knoechl
Plant_lab_revisited
hybrid_intermediate_stage_II

Alpen Adria Galerie, Klagenfurt

 

Papier und das Medium der Tuschezeichnung bilden die Ausgangsbasis für die raumgreifenden Installationen von Birgit Knoechl ebenso das künstlerische Verfahren des Papierschnitts, als dessen Pionier der Moderne Henri Matisse gilt. Er nannte diese Technik »mit der Schere zeichnen«. Als Cut_out Verfahren wurde diese Technik nach dem Zweiten Weltkrieg von der Pop-Art aufgenommen und in andere Materialien wie Kunststoff übersetzt, was eine Erweiterung in den Bereich Skulptur und Objektkunst zur Folge hatte. Birgit Knoechls Interesse gilt vor allem der Möglichkeit, dadurch die Line der Zeichnung tatsächlich in den Raum zu erweitern. Das Papier als zweidimensionaler Bildgrund verlagert sich zum Kunstwerk aus Papier. Der Werkstoff wird selbst zum Mittelpunkt und in seinen materiellen Eigenschaften und Eigengesetzlichkeiten genutzt und so neu interpretiert. Das Ausgangsmaterial wird aus seiner ursprünglichen Funktion gelöst und bearbeitet.

 

Die Künstlerin arbeitet stets in einem direkten Bezug zum Raum. Wesentlich ist dabei der sensible Umgang mit dem fragilen Material Papier sowie ein Interesse an einer differenzierten Oberflächenstruktur, die von Birgit Knoechl bewusst einbezogen wird. In ihrer Arbeit assoziiert sie das Wachstum der Linie anhand von pflanzlichen Formen. Die gezeichnete Linie wird durch den Prozess des Ausschneidens zu einem dreidimensionalen Papierobjekt, das buchstäblich in den Raum wuchert oder in der Übersetzung in das Medium Video als abstraktes Linienspiel erscheint. Das Material übernimmt dabei sowohl die Rolle des Bildträgers als auch des Bildzeichens, indem das Papier zuvor durch Birgit Knoechl bearbeitet und mit Tusche bemalt wird. Die Formenwelt ihrer Papierskulpturen spielt dabei bewusst mit der Frage von Vorbild und Wahrnehmung durch den Betrachter. Wenngleich sie ein abstraktes Linienknäuel in den Raum setzt, assoziiert man Strukturen und Formen des Vegetabilen. Durch den Kontrast von weißer und schwarzer Fläche wurde zudem eine Bewegung durch das Spiel von Licht und Schatten erzeugt. Ihre Installation formt ein Labyrinth von Linien, das in sich eine eigene autonome Welt zu scheint und den Raum für sich einnimmt wie parasitäre Pflanzen, die auf ihrem Wirt wuchern. Daraus entstehen assoziative Diskurse von utopischen und surrealen Welten bis hin zu Formen der Natur. Das Wachstum der Linie wird zum Hauptfokus in ihrer Arbeit, sowohl als Metapher in Bezug auf vegetabile Pflanzenformen als auch in einer Immanenz des Mediums selbst, das den Raum nicht mehr als illusionistische Zeichnung generiert, sondern diese im realen Raum verortet. Die Bezeichnung »hybrid« verweist darüber hinaus auf die konzeptuelle Ausrichtung. Aus unterschiedlichen Prozessen wie der Zeichnung, dem Papierschnitt und der Installation wird ein neues Ganzes. Die Besonderheit liegt darin, dass die zusammengebrachten Elemente für sich schon Lösungen darstellen, jedoch durch das Zusammenführen neue, erwünschte Eigenschaften entstehen. Durch den für die Arbeit immanenten Raumbezug ist die Installation als solche auch nicht in derselben Form wiederholbar, sondern entfaltet sich immer neu.

 

Text by Silvie Aigner

erschienen im Rahmen der Ausstellung
„K08 – Emanzipation und Konfrontation,Kunst aus Kärnten von 1945 bis heute“
Springer-Verlag/Wien
2008